A N J A K L A F K I
A N J A    K L A F K I

Einen direkten Bezug zur Kartographie stellte Anja Klafki her in ihrer Ausstellung 'Terra Cognita' im Staatsarchiv Ludwigsburg im Jahre 2010. Ihren Arbeiten gegenübergestellt wurden historische Landkarten und Landschaftspläne aus der Region. In gestalterischer Auseinandersetzung mit diesem Kartenmaterial entstanden die Werkgruppen 'Württemberger Blätter' und 'Gemarkung'. Anja Klafkis Blick auf diese Karten ist künstlerisch, nicht historisch oder nostalgisch. Sie werden ihr – ganz ähnlich wie die realen Landschaften der Region – zum künstlerischen Material, das sie ihrer Bildsprache aneignet. Zum einen isoliert sie einzelne Umrisse der Gemarkungskarten von Mergentheim oder Reckerstal und setzt sie in Druckplatten um. Die so entstandenen farbigen Formen schieben sich von unten in die Bildfläche hinein, schichten sich übereinander oder scheinen über dem Untergrund zu schweben. Es entstehen Bildräume, die wie Vexierbilder sind: Man scheint auf eine ferne Bergsilhouette zu blicken, gleichzeitig aber auch in der Vogelperspektive auf die württembergischen Gemarkungen zu schauen oder in geologische Schichtungen. Lassen sich diese Formen und Flächen relativ einfach aus dem bisher von Klafki entwickelten Vokabular ableiten, bringen die alten Karten auch ein ganz neues Element in die Arbeit Klafkis: das Ornament. Es beginnt ganz dezent in den 'Württembergischen Blättern' und der Gruppe 'Gemarkung'. Auf den ersten Blick scheinen hier einzelne Flächen eine Art Binnenstruktur zu haben. Schaut man genauer hin, sieht man deutlich florale Muster. Klafki erhält sie, in dem sie Strukturtapete als Druckform benutzt. (...) Klafki geht es dabei aber weniger darum, Dekorationsformen des 18. Jahrhunderts zu reproduzieren, sondern vielmehr um ein formales Äquivalent für die kleinen Bäume, Büsche und anderen Symbole, mit denen die Kartographen den land- oder forstwirtschaftlichen Charakter einzelner Flächen kennzeichnen. Mit diesen gemusterten Flächen taucht in Klafkis Landschaften zum ersten Mal das auf, was ein Naturalist des 18. Jahrhunderts Flora genannt hätte. (...) Weit weniger dezent erscheint das Ornament in den (...) Arbeiten (...) der Gruppe 'Parterre' und (...) 'Infrabarock'. Vegetabile Formen und Farben, die direkt von den Wandbespannungen (...) eines Schlosses zu stammen scheinen, machen sich in der Landschaft breit. Vor allem in den mehrteiligen Arbeiten beherrschen zudem Symmetrien (...) die Komposition. Die Inspiration durch barocke Gartenanlagen beziehungsweise deren Pläne ist augenscheinlich – und wird durch die Titel der Arbeiten bestätigt. Parterre – zu deutsch: am Boden – ist der Fachterminus für ein zentrales Gestaltungselement des Barockgartens: eine große, ebene Fläche, die durch achsen- und spiegelsymmetrisch angeordnete Teilflächen und Ornamente gestaltet – und am besten von oben betrachtet wird. (...) Geht man den barocken Anspielungen aber weiter nach, ergibt sich eine verblüffende Parallele zwischen dem ästhetischen Verfahren Klafkis und dem barocker Gartenarchitekten. Auch Barockgärtner haben zur Landschaft, mit und in der sie arbeiten, ein denkbar unsentimentales Verhältnis: Sie verwandeln das vorhandene Gelände in eine glatte, ebene Grundfläche, auf der sie dann aus abstrakten-geometrischen Flächen und Formen einen komplett neuen Raum erschaffen. Barocke Gärten und Parkanlagen sind bis in die eigene Wildnis hinein konstruiert, komponiert – und von dem, was wir sentimentale Zeitgenossen als authentische Landschaft herbei phantasieren, denkbar weit entfernt. Anja Klafki hat – über die Jahrhunderte hinweg – in den Landschaftsvermessern und Landschaftskonstrukteuren des 18. Jahrhunderts spannende Gesprächspartner entdeckt. Die Auseinandersetzung mit ihren Arbeiten scheint Klafkis eigenem künstlerischen Arbeiten eine neue Wendung zu geben. Wir dürfen gespannt sein, ob sich das Infra-Barock als Episode erweist – oder ob wir aus den Parterres in ganz neue Landschaften aufbrechen werden. (...)

 

Dr. Christina Dongowski, Stuttgart