A N J A K L A F K I
A N J A    K L A F K I

Text anlässlich der Ausstellung in der Galerie Lüth in Husum/Schobüll im März 2010.


Von Dr. Uta Kuhl, Landesmuseum Schloss Gottorf, Schleswig


Anja Klafkis Bildkompositionen sind aus wenigen, klar voneinander abgesetzten Elementen
aufgebaut. Dabei verfolgt sie eine eigene strenge Systematik, die sich dem Betrachter erschließt und
ihn dazu herausfordert, diese in Gedanken nachzuvollziehen. Es ist Spiel aus Linien und Flächen,
aus denen sich das Motiv des jeweiligen Bildes ergibt.
Meist zeigen die Bilder eine Landschaft, doch streng genommen bestehen sie aus abstrakten Formen
und farbig gegeneinander abgesetzten Flächen, in denen der Betrachter eine Landschaft sieht. Dass
sie aber immer auch das abstrakte Formenspiel meint, darauf gibt uns die Künstlerin verschiedentlich
Hinweise: indem sie etwa die gelbe Fläche eines Rapsfeldes (Raps IV) in harten Kanten unvermittelt
enden lässt. Auch eine dunkelblaue Fläche hinter den Bergwipfeln im Bild „Ashore VIII“ endet rechts in
einem abrupten Schnitt vor dem Weiß des Blattes und lässt uns damit zweifeln, ob wirklich das Blau
des Himmels gemeint ist.
Bei andern Blättern wie „Lake VII“ ist die Irritation noch stärker, wenn der Gebirgslandschaft in der
oberen Hälfte links geometrische Flächen wie die blauen Ovale gegenübergestellt werden, die ohne
inneren Zusammenhang vor dem sich ins Unendliche erstreckenden Weiß stehen. Hier ist es vor
allem der Titel „Lake“, der uns verrät, dass wir in den ovalen Flächen Seen erkennen dürfen.
Spätestens hier wird deutlich, dass es Anja Klafki mitnichten darum geht, naturgetreue
Landschaftsdarstellungen zu schaffen. Stattdessen führt sie uns – wie in einem Vexierbild – vor
Augen, welcher Bilderreichtum sich aus ihren künstlerischen Mitteln und ihren „Spielregeln“ ergibt.
Ein weiterer Aspekt kommt hinzu:
Ihre Bildkompositionen entstehen jeweils aus dem Gegensatz von dem weißen, unbearbeiteten Papier
und dem Abdruck der bearbeiteten Druckplatten – die Komposition findet also nicht auf der Platte,
sondern auf dem Druckbogen statt. Ebenso spannend ist, wie die sichtbaren Spuren der
künstlerischen Bearbeitung in das Bild eingehen, die Bearbeitung der Druckplatten, die weniger
graphisch als bildhauerisch aufgefasst ist: Klafki verwendet die Zinkplatten, ohne dass sie deren
Oberfläche bearbeitet, sondern sie schneidet, schlägt mit dem Stechbeitel Teile der Platte aus, aus
deren gratigen, unebenen Konturen sich die einzelnen Bildmotive ergeben.
Unterschiedliche Grauwerte und eine räumliche Tiefenwirkung und ebenso die im Kontrast dazu
pointiert gesetzten Farbflächen ergeben sich aus dem Neben- und Übereinanderdrucken mehrerer
Druckplatten. Auch daraus wiederum entstehen Motive, die gegenständlich zu deuten sind, obwohl die
Darstellung alles andere als illusionistisch ist, sondern vor allem gestalterischen Kriterien, dem
selbstgesetzten Reglement, gehorcht.
Alle diese Elemente, die Textur der Platten, die Konturen infolge ihrer Bearbeitung wie auch die
Überlagerungen mehrerer Platten bleiben immer sichtbar – so wird der künstlerische
Schaffensprozess transparent und in den einzelnen Schritten nachvollziehbar. Bei jedem Werk kann
sich der Betrachter auf eine Spurensuche begeben, so wie er auch mit den Augen durch die
Landschaft wandern kann, die in seiner Wahrnehmung entsteht. Der künstlerische Schaffensprozess
wird so ebenfalls zum Bildinhalt, mindestens ebenso wie das Bildmotiv.
Oft verwendet Klafki ihre Druckplatten auch mehrfach; und aus den vielfältigen Möglichkeiten der
Anordnung und Überlagerung – bei ähnlicher Grundkomposition - ergeben sich Serien, die etwas von
einer experimentellen Reihe haben. Bewusst spielt sie mit den Ähnlichkeiten und Abwandlungen bei
der gezielt eingesetzten Mehrfach-Verwendung der Druckplatten – woraus sich ein
assoziationsreiches Spiel eines „Thema con variatione“ ergibt.